Mit letztem Aufgebot und Nerven aus Stahl: TV Gelnhausen siegt im Krimi

Vor dieser Mannschaft muss man einfach den Hut ziehen. Mit dem nahezu allerletzten Aufgebot entscheidet der TV Gelnhausen einen Nervenkrimi für sich und gewinnt das Nachholspiel in der 3. Handball-Liga Süd-West bei der mHSG Friesenheim-Hochdorf mit 31:30 (18:15). Damit haben die Barbarossastädter die Tür zur Pokalrunde weit aufgestoßen. Mit 30:14 Punkten kletterte der TVG wieder auf Rang drei und hat bei noch vier ausbleibenden Spielen fünf Punkte Vorsprung auf den Fünftplatzierten VfL Gummersbach II.

„Das war ein sehr schweres Spiel unter sehr schwierigen Vorzeichen. In einer wahnsinnig kampfbetonten Partie haben wir Biss gezeigt und am Ende clever gespielt“, sagte ein noch voll Adrenalin steckender Matthias Geiger unmittelbar nach der Partie. Der TVG-Coach war sichtlich stolz auf das Zusammenspiel aller Beteiligten an diesem Abend. „Ob Torhüter, Feldspieler, Bank, Betreuer, medizinische Abteilung, die Fans, die verletzten Spieler. Alle, wirklich alle, haben ihren Anteil an diesem Erfolg.“

Geiger war anzumerken, wie sehr die 60 Spielminuten zuvor ihn beansprucht hatten. In einem wilden Spiel hatte der TV Gelnhausen die Vorentscheidung mehrfach in der Hand, doch der Gastgeber kam immer wieder zurück ins Spiel. Und so musste bis zur allerletzten Sekunde gezittert werden, bevor der Sieg in trockenen Tüchern war. Anschließend kannte der Jubel der völlig verausgabten Gelnhäuser keine Grenzen mehr.

Bangen um Bechert und Malolepszy

Dabei waren die Vorzeichen alles andere als gut. Gerade einmal zwölf Spieler standen auf dem Spielberichtsbogen. Darunter Benjamin Wörner und Fynn Hilb, die unter der Woche nicht trainieren konnten, aber auf die Zähne bissen und letztlich eine tolle Vorstellung abgeben sollten. Ebenfalls auf der Bank mit dabei war Felix Reinhardt, der, obwohl noch nicht wirklich einsatzfähig, sich für den absoluten Notfall trotzdem zur Verfügung stellte. „Eine überragende Geste ans Team“, wie Geiger betonte.   

Als sich dann auch noch Jonathan Malolepszy eine Viertelstunde vor Schluss an der Schulter verletzt hatte und nicht mehr weiterspielen konnte, blieben für die Crunchtime nur noch sieben wirklich gesunde Spieler übrig. Denn Keeper Alex Bechert bekam im ersten Durchgang gleich zweimal den Ball an den Kopf und musste immer wieder behandelt werden. Ob Malolepszy in den kommenden Partien eingesetzt werden kann, müssen weitere Untersuchungen zeigen.

Nach einer nervösen Anfangsphase mit Fehlern auf beiden Seiten entwickelte sich vor 100 Zuschauern im Sportzentrum des TV Hochdorf schnell ein offener Schlagabtausch. Während der TVG im Angriff den Ball laufen ließ und auch im Tempospiel erfolgreich war, fehlte hinten etwas der Zugriff. Kein Wunder, war doch aufgrund der angespannten Personalsituation mächtig Improvisieren angesagt.

Hier lag am Ende auch der Schlüssel zum Erfolg. Durch geschickte Personalrocharden balancierte Geiger sein Team punktgenau durch das enorm kräftezehrende Spiel. Abwehrchef Nils Bergau musste häufiger im Angriff auf der halblinken Seite ran, dort wo normalerweise Jannik Geisler, Henrik Müller, Philipp Schenk oder Michel Hemmer agieren sollten, die allesamt fehlten, ebenso wie Lasse Georgi und Silas Altwein. „Nils hat seine Sache im Angriff sehr gut gemacht. Aber sein Einsatz dort kostete ihn natürlich Kraft für sein Abwehrspiel. Um das aufzufangen, mussten wir viel hin- und herschieben“, sagte Geiger.

Dramatische Schlussphase

Der Coach wechselte daher bei Abwehr- und Angriffssituationen und unternahm zum Teil sogar Doppelwechsel. Da Malolepszy noch Pausen benötigt, setzte Geiger phasenweise die beiden Kreisläufer Max Bechert und Thorben Fehl gemeinsam in der Abwehr ein. „Daraus resultierend mussten wir wiederum unsere schnelle Mitte anpassen. Das hat Yannik Mocken übernommen, der dort eine sehr reife Leistung gezeigt hat“, erklärte Geiger den Matchplan, der am Ende perfekt aufgehen sollte.

Doch bis dahin musste noch kräftig gezittert werden. Nachdem Gelnhausen mit einer 18:16-Führung in die Pause gegangen war, sollte sich die Hoffnung auf eine möglichst kräftesparende zweite Hälfte gegen den Tabellenelften schnell zerschlagen. Als Tim Altscher in der 46. Minute zum 22:19 traf oder Paul Hüttmann in der 41. Minute zum 25:22, war das Geiger-Team zwar zweimal kurz davor, eine Vorentscheidung zu erzwingen, doch der Gastgeber kam jedes Mal wieder zurück.

Zu allem Überfluss verletzte sich Malolepszy beim Stande von 28:28 im Kampf um den Ball an der Schulter und konnte nicht mehr weiterspielen. Jetzt schien sich das Pendel endgültig zugunsten der Gastgeber zu neigen. Doch in dieser Phase leistete sich Friesenheim-Hochdorf zwei leichte Abspielfehler und brachte den TV Gelnhausen wieder zurück in die Erfolgsspur. Hilb erzielte in der 57. Minute das 31:29 und der TV Gelnhausen wollte gerade auf die Siegerstraße einbiegen, da brachte er sich mit zwei Strafzeiten innerhalb kürzester Zeit erneut in die Bredouille.

Nikola Sorda besorgte in der 58. Minute den Anschlusstreffer und eine ohnehin dramatische Schlussphase sollte noch einmal an Spannung zulegen. Am Ende spielte der TV Gelnhausen die Zeit geschickt runter und feierte einen Sieg des Willens gepaart mit jeder Menge taktischem Geschick. Mocken mit zwölf Treffern war der erfolgreichste Schütze beim TVG, gefolgt von Malolepszy (6) und Bergau (5).

Vorfreude auf die „Nacht der Legenden“

Mit diesem Erfolg kann der TV Gelnhausen somit am kommenden Samstag (18 Uhr, Großsporthalle Gelnhausen) beim Heimspiel gegen die HG Saarlouis ausgerechnet beim großen Vereinsevent der „Nacht der Legenden“ den Einzug in die Pokalrunde perfekt machen, vorausgesetzt der VfL Gummersbach leistet sich im Parallelspiel bei der TSG Haßloch einen Ausrutscher. Für eines der jüngsten Teams aller Drittligisten, das eigentlich nur den Klassenerhalt zum Ziel hatte, könnte diese außergewöhnliche Saison somit noch weitere Überraschungen parat haben. Zuzutrauen ist diesen unerschrockenen Himmelstürmern längst alles.